Minoltas 4.5/300 mm Objektive wurden in vier unterschiedlichen optischen Varianten gebaut:
1) einem dreigliedrigen Vierlinser (1961)
2) einem Vierlinser mit vier freistehenden Linsen (1965)
3) einem konventionell fokussierten Sechslinser mit niedrig dispergierenden Gläsern (ab 1969)
4) dem innenfokussierten Siebenlinser (ab 1978)
Über die Leistung der ersten beiden Varianten ist wenig bekannt, doch dürften sie - als konventionelle langbrennweitige Objektive ohne Sondergläser - insgesamt eher mässig gewesen sein.
Der Sechslinser von 1969 hingegen war mit neuen, von Minolta entwickelten niedrig dispergierendem Gläsern ausgestattet, und in zeitgenössischen Tests der amerikanischen Zeitschrift Popular Photography wurde das Objektiv als "bestes seiner Klasse" gerühmt. An heutigen 16MP APS-C-Sensoren ist die Optik gefordert. Bei Offenblende ist die Detailauflösung zwar untadelig, doch stören die je nach Motiv recht augenfälligen longitudinalen CAs (LoCAs, purple fringing). Abblenden auf f8 beseitigt diesen Fehler, nicht aber die restlichen (lateralen) CAs. Mechanisch ist die Optik sehr solide aufgebaut; eine Stativschelle sowie eine ausziehbare Gegenlichtblende vervollständigen die Ausrüstung. Weitere Schwachpunkte sind das relativ hohe Gewicht (1.1 kg) und die Naheinstellgrenze von 4.5 m.
Das spätere, innenfokussierte MD 4.5/300 mm IF von 1978 hat praktisch kein purple fringing mehr, und auch die Detailauflösung in den Bildecken ist etwas besser geworden. Dies ist auf niedrig dispergierendes Glas (LD-Glas mit einer Dispersion von ca. 70) zurückzuführen, der in der zeitgenössischen Literatur ausdrücklich erwähnt wurde. Merkwürdigerweise sinkt die Abbildungsleistung sowohl an APS-C als auch am 24 MP Vollformat beim Abblenden: Vor allem die CAs nehmen deutlich zu. Beim Vollformat scheint aber durch das Abblenden auch die Randauflösung leicht zu sinken.
Beim MD 4.5/300mm IF erfolgt die Fokussierung durch das unabhängige Verschieben zweier Linsen im hinteren Objektivteil. Analog einem Zoom-Objektiv werden sie auf gefrästen Kurven verschoben, was zumindest an den heutigen hochauflösenden Sensoren teils zu asymmetrischer Leistung ("variable Dezentrierung") führen kann. Es sei aber nicht verschwiegen, dass diese Art der Fokussierung sehr leichtgängig und schnell ist - im Gegensatz zu den meisten andern Brennweiten ist bei 300 mm die spätere MD-Version also deutlich besser zu fokussieren als die frühere MC-Variante! Für das "neue" MD 4.5/300 mm IF spricht zudem die Naheinstellgrenze von 3 m und das geringe Gewicht von nur 710 g.
Leider verpasste es Minolta, zusammen mit der professionellen XM auch ein hochlichtstarkes 2.8/300mm Teleobjektiv herauszubringen. Topcon hatte schon Ende der 1960er Jahren ein 2.8/300 mm im Angebot. Canon und Nikon stellten zu dem Olympischen Spielen von 1972 jeweils ein 2.8/300mm vor. Das 2.8/300 von Nikon hatte erstmals UD-Gläser (Ultra Low Dispersion), die im Vergleich zu LD-Gläsern eine deutlich bessere Korrektur der Farbfehler ermöglichten. Noch weiter ging Canon beim FL 2.8/300mm Fluorite, das - wie der Name schon sagt - mithilfe einer grossen Frontlinse aus Fluorit-Kristall beinah perfekt apochromatisch korrigiert war. Damit verlor Minolta den imagemässig wichtigen Markt der professionellen Sportfotografen an Canon und Nikon, und Minolta blieb fortan eine Marke des "gehobenen Amateurs", auch wenn die meisten kameraseitigen Innovationen weiterhin von Minolta kamen. Erst 1986-88 stellte Minolta eine Reihe von apochromtisch korrigierten, lichtstarken Teleobjektiven vor: die mit AD-Glas apochromatisch korrigierten AF-Optiken 2.8/200mm, 2.8/300mm, 4.5/400mm und 4/600mm.
Die drei 300-mm-Versionen sind das MC 4,5/300 (mit traditioneller Auszugsfokussierung, Nahgrenze 4,5 m), das MD 4,5/300 (mit Innenfokussierung, Nahgrenze 3 m), und das MC/MD 5,6/300 (mit traditioneller Auszugsfokussierung, Nahgrenze 4,5 m). Das MC 4,5/300 ist groß und schwer, hat eine Stativschelle und 72 mm Filtergewinde. Das MD 4,5/300 hat zwar auch 72 mm Filtergewinde, ist aber trotzdem erheblich kleiner und leichter, hat keine Stativschelle und läßt sich aufgrund seiner Innenfokussierung bei Aufnahmen aus der Hand leichter und schneller einstellen. Für Aufnahmen vom Stativ ist das MC besser, weil die Fokussierung zwar langsamer, aber dafür präziser ist und weil die Bildqualität gleichmäßiger über das Bildfeld verteilt ist. Das MD hat eine Spur bessere Mittenschärfe, fällt aber zum Rande hin stärker ab und vignettiert auch deutlich mehr. Wie sich das 5,6/300 im Vergleich zu den beiden 4,5ern schlägt, kann ich leider nicht sagen. Aber allein schon das 55er Filtergewinde macht es für viele Architektur- und Landschaftsfotografen interessant. Man kann die 300er zu Preisen zwischen 150 und 300 Euro bekommen. ... Ein MC 4,5/200 oder ein MD 4/200 zeigt bei voller Öffnung bereits eine gleich gute bis bessere Bildqualität als die beiden 4,5/300 bei Blende 8. Wenn's nicht sein muß, würde ich mir die 300er also eher sparen ... oder einmal das 5,6/300 ausprobieren.
O1af (www.mi-fo.de)
"Ähnlich wie du mit dem 200mm hab ich das viel gescholtene MC Rokkor 4.5/300mm vor einiger Zeit mal mit einem glaslosen Adapter an der A100 probiert. Bei offener Blende war das Bild noch etwas flau und es gab auch leichte CAs, aber bei f5.6 sind selbst 100% Crops messerscharf, vorrausgesetzt man schafft es die Entfernung einzustellen."
"Auch ich bin mit meinem MC Rokkor 1:4.5 300mm sehr zufrieden. Ich benutze es aber seit einiger Zeit schon sehr selten, weil an der A100 ja auch schon das Ofenrohr in etwa den gleichen Bildwinkel erreicht."
"Für mich jedenfalls zeigt sich eine klare Tendenz, die alten Linsen sind noch besser als ich dachte, es ist nur unheimlich schwer die gebotene Leistung in der Praxis auch herauszukitzeln. Das ist wohl wirklich nur mit der von Profis früher schon betriebenen Materialschlacht möglich. Die haben schon früher immer mindestens 6-10 Bilder von einer Szene mit minimal variierter Entfernungseinstellung gemacht."
Hans-J. (www.mi-fo.de)
"ChristophPeterS schrieb, dass oberhalb von 200mm andere Firmen `besser` wären als die Rokkore, da kann ich mich nicht anschließen: Abgesehen davon, dass es groß und schwer ist, habe ich mit dem MC 4,5/300mm sehr gute Erfahrungen gemacht, ich finde es auf jeden Fall auf dem Niveau der 135er bzw. des 4,0 200mm, und mein Exemplar ist nach meiner Erfahrung auch besser als das oft gelobte AF 4,5-5,6 100-300mm APO. Ich würde beim MC 4,5 300mm jederzeit wieder zugreifen."
XJVolker (www.mi-fo.de)
"Beim 300er gilt das MC Tele Rokkor-HF 4.5/300 als das Erstrebenswerteste. Es ist jederzeit leicht verfügbar. Die Preise liegen unterhalb von 100 EUR. Ich hab es aber noch nicht. Ich hab aber ein MD Tele Rokkor 4.5/300 - das ist ziemlich klein - bei viel Licht kann man damit sogar aus der freien Hand fotografieren."
ChristophPeterS (www.mi-fo.de)
"Man kann die 4.5/300er zu Preisen zwischen 150 und 300 Euro bekommen. Das 1:5,6/300 ist eher noch spürbar günstiger. Ich hab es als MD letzthin wieder für deutlich unter 100 Euro in der Bucht weggehen sehen."
Olaf (www-mi-fo.de, 2007-11-08)
Ich kann dir übrigens versichern, daß auch das MC 4,5/300 keine Offenbarung ist -- es spielt im wesentlichen in der gleichen Liga wie die übrigen 300er auch. ... Aus irgendwelchen Gründen hat Minolta damals bei den 300ern eben einfach nichts wirklich Durchschlagendes auf die Beine gestellt. 300-mm-Objektive anderer Hersteller können durchaus exzellent sein. Ob es 300er von Fremdherstellern (Sigma, Tamron, Tokina) für Minolta SR gibt, die besser sind als die Rokkore, weiß ich nicht. Die Länge der Brennweite stellt jedenfalls nicht das Problem dar, denn die 200er Rokkore und das Apo Tele Rokkor 400 mm von Minolta sind ganz hervorragend. Auch die RF Rokkore 5,6/250 mm und 8/500 mm sind sehr gut. Nur die 300er sind merkwürdigerweise alle nicht so dolle. So ist insbesondere das MD Tele Rokkor 1:4/200 mm bereits bei voller Öffnung besser als die auf f/8 abgeblendeten Rokkore MC 4,5/300 mm und MD 4,5/300 mm! ... Das MC 4,5/300 ist nicht entscheidend besser als das MD 4,5/300. Sie sind geringfügig verschieden, aber nicht besser oder schlechter. Das MC vignettiert weniger und bietet die gleichmäßigere Schärfe über das Bildfeld, und es läßt sich wegen des flacheren Schneckenganges langsamer, dafür präziser fokussieren. Das MD bietet die geringfügig bessere Schärfe in der Bildmitte, fällt dafür zum Rand etwas stärker ab. Die leichtgängige Innenfokussierung erlaubt raschere, dafür weniger präzise Einstellung. Zusammenfassend kann man sagen, das MC ist besser für Stativaufnahmen, das MD ist besser für Freihandaufnahmen -- denn statische Motive erfordern eher gleichmäßige Schärfe über das Bildfeld, dynamische Motive erfordern Kompaktheit, schnelle Handhabung (IF) und Schärfe nur in der Bildmitte. Mir persönlich sagt die Charakteristik des MC etwas eher zu ... doch das ist Ansichtssache. Denn für dynamische Motive benutze ich sowieso lieber die Novoflex-Schnellschuß-Teles Noflexar 280 mm und Noflexar 400 mm -- oder gleich die AF-Ausrüstung. Ansonsten gilt: wenn irgend möglich, verkürze ich lieber die Distanz zum Motiv und greife dann zum 200er. Das gibt bessere Bilder. Was das Spiel mit der raumraffenden Teleperspektive angeht, ist der Unterschied zwischen 200 mm und 300 mm in bildgestalterischer Hinsicht sowieso kaum der Rede wert.
O1af, www.mi-fo.de
Ich persönlich mag das MD Tele Rokkor 1:4,5/300 mm nicht so gern. Das ältere MC Tele Rokkor 1:4,5/300 mm ist mir lieber. Das MD bietet zwar eine minimal höhere Schärfe in der Bildmitte. Dafür zeigt das MC die bessere Leistung an den Bildrändern (d. h. die gleichmäßigere Leistung über das gesamte Bildfeld) sowie die geringere Vignettierung. Selbst bei f/8 vignettiert das MD noch geringfügig, aber sichtbar; das MC vignettiert bei f/4,5 geringfügig, bei f/8 überhaupt nicht. Allerdings ist das MC mit seinem konventionellen Schneckengang mühsam zu fokussieren -- für statische Motive vom Stativ geht das wohl präzise, aber langsam ... für bewegte Motive zu langsam. Die Innenfokussierung des MD läßt sich schneller einstellen, doch dafür ist es schwierig, die Schärfe präzise zu treffen. Und für schnell bewegte Motive ist die Innenfokussierung immer noch zu langsam; dafür braucht man ein Schnellschuß-Objektiv ... oder gleich Autofokus.
O1af (www.mi-fo.de)
Minolta MC 300mm 1:4.5 disassembly on youtube