Die klassischen, lichtstarken Portrait-Objektive haben mich immer schon fasziniert. Angefangen hatte es als 15jähriger, als ich in die Schule anfing, Mädchen abzulichten - während des Unterrichts, und mit einem gebrauchten Steinheil 2.8/85mm an der Leica III meiner Mutter. Weil mir eine richtige Leica mit dem Summilux 1.4/75mm unbezahlbar schien, erwarb ich als 19jähriger zu meiner Minolta 9000 zunächst das Minolta AF 1.4/85mm. Nach und nach kamen weitere Portrait-Objektive dazu: Zuerst das Minolta AF 2/100mm, gefolgt von den manuellen Minolta Rokkoren MC & MD 1.7/85mm und MD 2/85mm. Schliesslich - im Rahmen einer Artikelserie über die wichtigsten Zeiss-Objektive - folgten die historischen wichtigen Objektive Leitz Thambar 2.2/9cm (1937), Carl Zeiss Jena Biotar 1.5/7.5cm (1936) und Carl Zeiss Sonnar 2/85mm (erste Rechnung 1934). 

Auch wenn diese Auswahl keinesfalls umfassend ist - es fehlen zB das Leitz Summarex 1.5/8.5cm (1943) und die auf den Sonnaren basierenden frühen Nikkore sowie analoge Objektive von Canon, Olympus und Pentax (speziell das Canon 1.2/85mm L) - so erhalten wir hier doch einen Überblick über die Entwicklung der lichtstarken Kleinbild-Objektive im Brennweitenbereich um 85 mm.

Alle Tests wurden an der Sony NEX-5N (APS-C, 16MP) gemacht. Fokussiert wurde mittels "Fokus-Lupe" bei Offenblende auf maximale visuelle Bildschärfe. Das bedeutet, dass u. U. bei Offenblende relativ starkes "Purple Fringing" sichtbar ist, falls das Objektiv bezüglich longitudinaler chromatischer Aberrationen (Lo CA) nicht perfekt korrigiert ist. Würde man leicht anders fokussieren, wären die LoCAs deutlich reduziert, der generelle Schärfe-Eindruck bzw. die Detail-Auflösung würde aber deutlich leiden.

Beim Abblenden wurde nicht nachfokussiert; dies impliziert, dass Objektive mit deutlichen sphärischen Restfehlern beim Abblenden zunächst etwas an Leistung zu verlieren scheinen (sog. "Blendenfehler").

 

 

Leitz Thambar 9cm f22

Das Leitz Thambar 2.2/90mm ist ein gesuchter Exot unter den Leitz-Objektiven mit M39-Gewinde; es wird mittlerweile um 3000 USD/CHF gehandelt. Wie Bertele's Sonnare war auch das Thambar ein Abkömmling des Triplets - allerdings angelehnt an die Konstruktion der Hektore, die ihrerseits sehr ähnlich wie die um 1900 entwickelten Heliare basieren. Das Hektor-Prinzip (u. a. im 2.5/50mm und im 1.9/73mm) haderte immer mit starken Restfehlern; schlussendlich stellte Leitz auf das Planar-Prinzip um und verhalf ihm damit zum Durchbruch.

Das Thambar ist an der NEX durchaus brauchbar, auch wenn die obigen Ausschnitte vielleicht etwas anderes suggerieren. Portraits und Aufnahmen von Blumen im Gegenlicht führen - im Kombination mit dem Kringelbokeh - zu Bildern, die sich so weder mittels andern Weichzeichnern noch mittels Bildbearbeitung/Software realisiern lassen. In absehbarer Zeit folgt ein eigenständiger Artikel zum Thambar an der A900 und der NEX.

 

 

Zeiss Biotar 75mm f15 A

Das Biotar 1.5/75 mm basiert auf dem Zeiss Planar. Es ist ein Abkömmling der usrprünglichen f1.4-Biotare von Carl Zeiss Jena, die ab ca. 1930 für den Kinofilm gerechnet und produziert worden waren. Dies ist auch dem Biotar 1.5/75 mm deutlich anzumerken: Die Schärfe in der Bildmitte ist bereits bei Offenblende durchaus brauchbar, wenn auch der Kontrast eher gering ist. Die Auflösung sinkt allerdings zum Bildrand hin schnell ab, selbst bei APS-C. Blendet man das Biotar 1.5/75 mm auf f5.6 oder besser auf f8 ab, so bekommt man am hochauflösenden Vollformat Aufnahmen mit exzellenter Detailschärfe in den Ecken. Bemerkenswert - wie bei allen mir bekannten Zeiss-Klassikern - die gute Korrektion der Farbquerfehler, die selbst von einem Minolta MD 2/85 mm oder Minolta AF 1.4/85 mm nicht erreicht wird. Das Biotar 1.5/75 mm hat einen deutlichen dunkelgelben Farbstich, der auf hochbrechende lanthanhaltige Gläser zurückzuführen ist. Dieser Farbstich ist auch am digitalen Sensor recht schwierig zu korrigieren; Aufnahmen mit dem Biotar wirken deswegen farblich immer etwas eigentümlich.

Das Objektiv - vor einigen Jahren noch für 300 EUR erhältlich - hat eine gewaltige Preissteigerung hinter sich. Momentan erreichen selbst schlecht erhaltene Exemplare Preise von gegen 1000 USD/CHF. Gesuchtere Versionen - wie das abgebildete Objketiv in der frühen Nachkriegsfassung mit M42-Anschluss - werden noch teurer gehandelt.

 

 

Zeiss Sonnar 85mm f2

Ludwig Berteles Sonnare gehören zu den bedeutendsten Objektivkonstruktionen überhaupt. Angefangen mit dem Sonnar 2/50mm (1931) und Sonnar 1.5/50mm (1932) für die Contax RF, setzte Bertele die Reihe mit dem Sonnar 4/135mm (1932) fort und entwickelte schliesslich die Sonnare 2/85mm und 2.8/180mm (1936). Das Sonnar 2/85mm - hier in einer in Oberkochen produzierten Variante von ca. 1955 - war zwischen 1936 und 1950 unbestritten das beste Kurztele fürs Kleinbild, und obige Bilder zeigen warum: Das "von Hand" gerechnete Objektiv war sicher nicht schlechter korrigiert als das rund 35 Jahre später (!) mit Hilfe von "Grosscomputern" konstruierte Minolta MD 1.7/85 mm (siehe unten). Einzige Schwäche waren die unterkorrigierten sphärischen Aberrationen, die bei Offenblende zu einem eher flauen (aber detailreichen!) Bild führen, und die einen deutlich sichtbaren Fokus-Shift beim Abblenden bewirken (die Zentrums-Schärfe bei f5.6 wäre deutlich sichtbar besser, wenn ich bei f5.6 nochmals neu fokussiert hätte). Bemerkenswert die für die damalige Zeit sehr geringen chromatischen Aberrationen.  

 

 

Minolta 85mm f17 MC-II

Das Minolta MC 1.7/85 mm gehörte zu einer Reihe von Hochleistungs-Objektiven, die Minolta 1968 auf der Photokina in Köln vorstellte. Zu dieser Reihe gehörten weitere bemerkenswerte Konstruktionen wie die damals lichtstärksten KB-SLR-Weitwinkel überhaupt (MC 2.5/28 mm und MC 1.8/35 mm), aber auch das damals wohl beste f1.2-Normalobjektiv (MC 1.2/58 mm). Das Minolta MC 1.7/85 mm schaffte - mehr oder weniger! - den Anschluss an die (überarbeiteten) Zeiss Sonnare 2/85 mm aus den 1950er Jahren, war aber keineswegs besser. Im Gegensatz zu den frühen Canon / Nikon-Kurzteles (Sonnar-Abkömmlinge!) basierte die Optik auf dem Planar, und sie wurde während rund acht Jahren in verschiedenen Fassungen gebaut. Das MC 1.7/85 mm zeichnet offen eher weich und nicht wirklich scharf, ab f4 oder f5.6 dann aber sehr detailreich. Die spezielle Charakteristik bei Offenblende ist für sanfte Portraits gut nutzbar; allerdings wird der Bildwinkel beim Einsatz an der NEX deutlich verändert (verhgleichbar einem 2.5/125 mm am Vollformat). Das Objektiv ist vor allem wegen der ansprechend verlaufenden Hintergrund-Unschärfe ("Bokeh") bekannt - eine Eigenschaft, die wiederum im Portrait-Bereich wichtig ist.

Die Optik ist übrigens auch am hochauflösenden Vollformat gut für Portraits nutzbar, wenn man sie mittels eines glaslosen Adapters mit grossem freien Innendurchmesser adaptiert.

Mechanisch sind alle Versionen des MC/MD 1.7/85mm exzellent verarbeitet; die Fokussiereung läuft dank eines Schneckengangs "Messing auf Aluminium" seidenweich.
Das Objektiv wird momentan (2013) um ca. 300 USD/CHF gehandelt.  

 

 

Minolta 85mm f2 MD-II

Das Minolta MD 2/85 mm löste 1979 das MD 1.7/85mm ab. Es gehört zu einer Reihe von deutlich verkleinerten Objektiven, die im Anschluss an die Minolta XD vorgestellt wurden. Obwohl die älteren MC-Objektive mit gummiertem Fokusring ("MC-X") - nicht zuletzt aufgrund ihrer Mechanik - im Internet hohes Ansehen geniessen, sind die optischen leistungen der kleineren MD-II und MD-III-Objektive in der Regel besser. Das MD 2/85mm hat bereits bei Offenblende eine sehr gute Leistung - das Zentrum kommt einiges detailreicher als beim MC 1.7/85mm, und die Ecken (APS-C!) werden bei f2 ebenso gut abgebildet wie beim 1.7/85mm @ f4. Abgeblendet auf f2.8 ist die Optik ebenso scharf wie das 1.7/85mm bei f5.6. 

Das Bokeh des 2/85mm ist gemäss Informationen aus dem Internet nicht so gut wie dasjenige des 1.7/85mm. 

Die Mechanik des Objektives ist nicht mehr ganz auf dem Stand der MC-X-Objektive: Der Schneckengang (Alu auf Alu) läuft weniger seidig, und der Blendenring ist aus Kunststoff.

 

 

 

Minolta AF 85mm f14

Als Vergleich das Minolta AF 1.4/85mm, hier in der frühen Variante von 1988. Die Optik zeichnet bereits bei Offenblende (d. h. bei f1.4!) praktisch ebenso detailreich wie das viel gerühmte MD 2/85mm bei f2. Allerdings trüben die starken longitudinalen chromatischen Aberrationen (LoCA) das Bild. Die lila-farbigen Überstrahlungen sind auf dieses Phänomen zurückzuführen. Bei "available light" Aufnahmen stören diese Überstrahlungen allerdings weit weniger, und bei s/w-Aufnahmen sind sie kaum ein Problem. Auch bei Portraits kann man das Minolta AF 1.4/85mm bedenkenlos bei f1.4 einsetzen, falls man das möchte. Abgeblendet auf f 4 oder f5.6 gehört das Objektiv zu den detailreichsten und schärfsten Objektiven im Alpha-System; selbst bei 24MP-APS-C (entsprechend 54 MP im Vollformat) dürfte es noch nicht ausgereizt sein.