ACHTUNG -
DER UNTENSTEHENDE VERGLEICH ENTSPRICHT NICHT MEINEN ÜBLICHEN QUALITÄTSKRITERIEN. EINERSEITS WAR ICH AM ENDE EINES LANGEN VERGLEICHS-WOCHENENDES BEIM AUFNEHMEN DER BILDER RELATIV MÜDE, ANDRERSEITS (UND WICHTIGER) SIND AUF DEN AUSGEWERTETEN BILDERN TEILS LUFTUNRUHEN ZU SEHEN, DIE EINEN WIRKLICHEN VERGLEICH VERUNMÖGLICHEN. ZUDEM HAT DAS TEST-SUJET ETWAS WENIG DETAILS; DIE BESTEN OBJEKTIVE KÖNNEN ALSO NICHT WIRKLICH ZEIGEN, WAS IN IHNEN STECKT.
TROTZDEM KANN DAS GESCHULTE AUGE EINIGES AUS DEN BILDERN HERAUSLESEN, UND DESHALB HABE ICH SIE IM SINNE EINES VORLÄUFIGEN VERGLEICHES DENNOCH PUBLIZIERT.
EINE ÜBERARBEITETE VERSION WIRD IN ABSEHBARER ZEIT FOLGEN.
Am Grossformat, das 1930 in der professionellen Fotografie vorherrschte, begnügte man sich um 1930 mehr oder weniger mit leichten Weitwinkeln (Architektur), Normaloptiken (Gruppen, Sachaufnahmen und Landschaft) und leicht längeren Brennweiten (Portrait). Der Bildwinkel bewegte sich im Bereich zwischen 70° und 35°, entsprechend ca. 35mm und ca. 75mm am Kleinbild.
Die Einführung der Leica mit Wechseloptik (1930) führte fotografisch zu bislang kaum gesehehen Blickwinkeln. Schon bald erkannte der Bildjournalismus - und nicht zuletzt die nazionalsozialistische Porpaganda - das Potenzial der neuen Kleinbild-Kamera. Leitz lieferte ein Telyt 4/200 mm, das mittels Spiegelkasten an die Leica gekoppelt wurde, aber optisch keine Stricke zerriss. Für die Olympiade in Berlin (1936) entwickelte Ludwig Bertele bei Zeiss eine Optik, die bald als "Olympia-Sonnar" in die Geschichte eingehen sollte: Das Sonnar 2.8/18cm, das ebenfalls mittels Spiegelkasten an die Messsucher-Contax gekoppelt wurde. Dank seiner hohen Öffnung ermöglichte es mit den damaligen Filmen (Farbfilme um 10 ISO, höchstempfindliche s/w-Filme um 100 ISO) erstmals Momentaufnahmen von Sportlern in Aktion. Das Olympia-Sonnar wurde bald zur Messlatte, an der sich alle andern orientieren mussten. Zwanzig Jahre lang konnte niemand ausser Zeiss ein Objektiv mit gleichwertigen Daten produzieren.
Mit dem verstärkten Aufkommen der Kleinbild-SLRs in den 1950er Jahren wurden auch lange Brennweiten (>135mm) im fotografischen Alltag brauchbar. Nikon und Leitz brachten je ein 2.8/180mm auf den Markt; beide Objektive orientierten sich konstruktiv am Sonnar 2.8/18cm. Spätere Versionen - ebenso wie wie die von Zeiss Oberkochen neu entwickelten 2.8/180er - hatten einen deutlich anderen Querschnitt: Die für das Sonnar typischen Dreierglieder (mit einem niedrig brechenden Fluorid-Glas in der Mitte) wurden nicht mehr gebraucht, weil neue Gläser zu Verfügung standen, die bei hoher Brechkraft gleichzeitigg eine relativ niedrige Dispersion hatten.
Aus den 1950er Jahren stammt eine weitere ostdeutsche Optik, die heute fast vergessen ist: das Meyer Görlitz 3.5/180mm. Konstruktiv nicht ein Teleobjektiv, sondern ein "normales" Objektiv mit ensprechend grossem Bildwinkel, wurde es sowohl fürs Mittelformat als auch fürs Kleinbild geliefert.
Minolta brachte zusammen mit der ersten Kleinbild-SLR (SR-2, 1958) bereits ein 3.5/200 mm Teleobjektiv auf den Markt, nachdem das zunächst angekündigte 2.5/180 mm nie im Handel auftauchte. Einige Jahre später folgte ein kleines und leichtes 4.5/200 mm. Beide Objektive wurden in den 1970er Jahren durch lichtstärkere Varianten ersetzt; mit dem MD 2.8/200 mm hatte man nun ebens wie Canon - vierzig Jahre nach Zeiss! - endlich eine dem Olympia-Sonnar entsprechende Lichtstärke im Programm. Allerdings war die Abbildungsleistung des MD 2.8/200 mm nicht über alle Zweifel erhaben, und so musste man bis 1988 warten, um ein wirklich in allen Belangen dem Olympia-Sonnar überlegenes Objektiv zu sehen: Das Minolta AF 2.8/200 mm APO. Leitz trieb die Korrektion mit dem 2.8/180mm APO und dem 2/180mm APO Anfang der 1990er Jahre auf bislang nicht gesehene Werte, und zur selben Zeit erhöhte Canon die Lichtstärke dieser Brennweite auf 1:1.8. In dieser Zeit fällt auch das Zeiss 2/200 mm APO, und Nikon glänzte ebenfalls mit einem entsprechenden Nikkor 2/200mm ED (und sogar einem Nikkor 2/300 mm ED, aber das ist eine andere Story).
Der Urahn aller Sport-Objektive - das Carl Zeiss Jena Sonnar 180mm 1:2.8. Gerechnet 1936 von Ludwig Bertele (und sicherlich zahlreichen, meist weiblichen "Rechen-Gehilfen") setzte die Optik Masstäbe. Wie alle Sonnare aus drei Gliedern aufgebaut, war die mittlere Linse des zweiten Gliedes aus einem fluoridhaltigen Glas mit niedriger Dispersion (oder anomaler Teildispersion?) gefertigt. Die Detailauflösung des Olympia-Sonnars ist schon bei Offenblende bemerkenswert gut, der Kontrast allerdings recht gering. Bemerkenswert die für eine beinahe 80jährige (!) Konstruktion recht gute Korrektur der Farbquerfehler!
Eine interessante Optik aus dem Ostdeutschland der 1950er Jahre: Das Meyer Görlitz 3.5/180 mm war ist kein Teleobjektiv, sondern eine "Normaloptik" mit (fürs Kleinbild) langer Brennweite. Die Auflösung ist va. bei Offeblende ungenügend, die Farbfehler sind hingegen bestens korrigiert - man darf wohl nach heutigen Masstäben klar von einem Apochromaten sprechen. Diesbezüglich kann einzig das Minolta AF 2.8/200mm APO mithalten - von der Auflösung her liegen jedoch Welten zwischen den beiden genannten Objektiven.
Vierzig Jahre nach Carl Zeiss Jena konnte auch Minolta mit einem "schnellen" 200er aufwarten. Die Optik ist als klassisches fünflinsiges Tele aufgebaut: Ein Triplet als vordere Grundoptik, ein zweilinsiger "Telekonverter" in Filmnähe. Dieser recht einfache Aufbau, den Minolta damals in vielen langbrennweitigen Objektiven nutzte, war mit den Eckdaten "2.8/200 mm" offenbar etwas überfordert. Trotz hochbrechender und LD-Gläser, die Minolta zweifellos auch in dieser Optik einsetzte, blieben auflösung und Farbkorrektur hinter dem ursprünglichen Zeiss Sonnar 2.8/180 mm zurück. Deutlich besser als beim Zeiss ist jedoch die Kontrast-Wiedergabe; hier punktet Minolta mit modernen Mehrschichten-Vergütungen.
Zehn Jahre später: Das legendäre AF APO 2.8/200 mm. Aus einer Vorahnung heraus hatte ich schon 1988 die erste Version des Objektivs gekauft (als 19jähriger, zusammen mit dem ebenfalls brandneuen AF 1.4/85 mm), die sich sogleich als Spitzenoptik erwies. Das AF APO 2.8/200mm ist nun - fünfzig Jahre nach dem Olympia-Sonnar - in allen Belangen deutlich besser: Schärfer, mit besserer Farbkorrektur und höherem Kontrast - und mit weit niedrigerem Gewicht. Die Optik, die am 24 MP Vollformat bedenkenlos bei voller Öffnung auch für kritische Landschaftsaufnahmen eingesetzt werden kann, zeigt erst bei 24 MP APS-C (entsprechend 54 MP am Vollformat) leichte Schwächen; sie sollte dann für beste Leistung auf f4.5 abgeblendet und nur bis f8 genutzte werden (Beugung!).
Die überaus leichte Fassung ist sehr schön gearbeitet und trotzdem überaus robust. Mein zweites Exemplar - ich wechselte bereits 1989 auf die schnellere "HS"-Version - machte im Verlaufe der Jahre mehrere Stürze auf Beton, Fels und Asphalt mit. Einzig die Sonnenblende wurde dadurch verbeult - die exzellente Abbildungsleistung blieb erhalten, wie man sich unschwer anhand des Beispielbildes im "Sony Alpha Systembuch" überzeugen kann. Die Fokussierung läuft - auch nach den Stürze! - extrem weich, aber die weisse Farbe blättert fast schon ab, wenn man das Objektiv nur anschaut: Offenbar ging bei der Grundierung etwas schief.
Zurück zum Anfang der 1960er Jahre. Minolta lieferte ab 1959 ein 3.5/200 mm, das möglicherweise eine etwas andere Konstruktion als die hier gezeigte, ab 1966 gelieferte MC-Version hatte. Ich vermute, dass die oben gezeigten Testbilder durch Luftunruhen verfälscht wurden (siehe linke Bilder bei f8); dennoch zeige ich sie hier, um darauf hinzuweisen, wie komplex die "Real-World"-Tests eben sind.
Hier die MC-II-Variante des 3.5/200 mm, die etwas flaue und bei Offenblende nicht allzu detailreiche Bilder macht. Im Vergleich zum Olympia-Sonnar ist der Kontrast vielleicht etwas besser, doch punktet die alte Zeiss-Optik bei allen Blenden mit einer besseren Auflösung. Schaut man sich die Metall-Strukturen im Zentrum an, so wird man den Verdacht nicht los, dass dieses Exemplar schlecht zentriert ist.
Ein weitere Fassungs-Variante derselben Optik: Diesmal mit offensichtlich besserer Zentrierung - und keinen störenden Luftunruhen! Die Optik scheint nun dem Zeiss einigermassen gewachsen - mit etwas stärkeren CAs, dafür aber einem besseren Kontrast.
Ab 1967 hatte Minolta zusätzlcih zum lichtstarken 3.5/200mm auch eine lichtschwächere Variante im Angebot, die in der Handhabung ganz wesentlich agiler war: kleiner, leichter und vor allem mit weit angenehmerer Fokussierung! Bekannte deutsche Fotojournalisten aus der Zeit nannten die Optik ein "Tele-Bleistift" - und nutzten sie gerne und häufig. Die Abbildungsleistung ist schwächer als die des lichtstärkeren Pendants; vor allem die CAs treten recht ausgeprägt hervor. Man merkt, dass die Optik vor der Erschmelzung der fünf Sondergläser (1968) gerechnet worden war, die dann eine deutlich bessere Farbkorrektur bei Tele-Objektiven ermöglichten (siehe Minolta MC 4/200 mm).
Das Minolta MC/MD 4/200 mm in seiner ersten Variante (Gewicht 520g, Länge 131mm) gehört zu den besten Teleobjektiven von Minolta. Zur selben Zeit wie das vierlinsige (und ebenfalls sehr gute) MC 2.8/135 mm auf den Markt gekommen, profitiert es von einem niedrig dispergierenden Sonderglas. Die Detailauflösung ist bei allen Blenden von Offenblende bis f8 so ähnlich, dass ich zunächst den Verdacht hatte, die Blende sei hängengeblieben. Alledings beweisen die EXIFs das Gegenteil - die Verschlusszeiten zeigen, dass die Blende sich ordnungsgemäss schloss - das MC 4/200 mm liefert tatsächlich über den ganzen Blendenbereich praktisch identische Resultate!
Eine der ältesten Zoom-Optiken von Minolta - 1965 eingeführt und selbst 1981 noch in MD-III-Fassung erhältlich! Die Optik zeichnet ebenso detailreich wie das allerding weit lichtstärkere Olympia-Sonnar und eher besser als die meisten Minolta-200mm-Festbrennweiten der 1960er- und 1970er Jahre (ausgenommen das 4/200 mm). Zudem ist die Farbkorrektur fast auf apochromatischem Level; nur das AF 2.8/200 mm APO und das Meyer Görlitz 3.5/180mm sind noch besser ... Diese Bilder dürften erklären, warum die Optik trotz bescheidener Eckdaten so lange im Programm blieb - eine Tatsache, die schon in etlichen Forenbeiträgen zu Fragen Anlass gab.
Das Zoom ist "optisch stabilisiert", was in diesem Zusammenhang nichts anderes bedeutet, als dass beim Verschieben der Variator-Gruppe die Fokussierung erhalten bleibt (bei praktisch allen heutigen Zooms gilt das nicht; man muss beim Variieren der Brennweite eine "Kompensator-Gruppe" nachführen, welche die Schärfe quasi "mechanisch" konstant hält)
Das deutlich lichtstärkere - und teurere! - 4.5/80-200mm gehört in eine ganz andere Katergorie von Zooms. Im Gegensatz zum obigen 5.6/100-200mm ist diese Optik ein Viergruppenzoom (Grundobjektiv, Zoom-Gruppe, Kompensator, Fokussier-Gruppe). Idealerweise müssen alle diese Gruppen in sich selbst gut auskorrigiert sein - was natürlcih bei nur 3-4 Linsen pro Gruppe nicht möglich ist. Daraus resultieren die bekannten Kompromisse, die man bei den "nicht-optimalen" Brennweiten eines Zooms meist eingehen muss (ausser das Zoom sei aus 20-25 Linsen aufgebaut). Waren die bekannten Minolta-Telezooms bei mittleren Brennweiten noch praktisch auf Festbrennweiten-Niveau gewesen, so leidet dei Korrektur am langen Ende doch sichtlich.
Sehr wahrscheinlich ein Ausreisser, obwohl das getestete Objektiv wie neu aussieht. Ein zweites MD 4.5/75-200 mm ist mittlerweile bei mir, aber bislang noch nicht getestet. Ergänzende Infos werden folgen.
Das bekannte MD 4/70-210 mm - wie seine Vorgänger auch in Leica-R-Fassung geliefert - übertriftt die meisten 200mm-Festbrennweiten von Minolta aus den 1960er und 1970er Jahren. Nur das MC/MD 4/200mm ist klar besser - und selbstverständlcih das spätere AF APO 2.8/200 mm ... Bemerkenswert. Allerdings ist zu befürchten, dass am Vollformat die Zooms nicht so gut abschneiden wie die Festbrennweiten, denn gerade in den Vollformat-Ecken lassen die Zoom in der Regel deutlicher nach als die entsprechenden Festbrennweiten.
Hier eine Optik, die nur relativ kurze Zeit im Programm war, bevor das AF 4.5-5.6/75-300 mm seine Rolle übernahm. Die Optik zeichnet noch detailreicher als das MD 4/70-210mm, allerdings ist der Kontrast für ein Minolta-Objektiv doch ungewöhnlich gering.
Zuletzt noch zwei Objektive, die von Kino Precision Optics (Kiron) gefertigt wurden. Kino Precision Optics wurde von ehemaligen Nikon-Optikrechnern gegründet und produzierte eine Reihe von mechanisch und teils auch optisch sehr guten Foto-Objektiven. Das hier getestete 3.8/85-205 mm wurde von Vivitar (einer US-amerikanischen Handelsmarke) vertrieben und galt seinerzeit als durchaus gutes Telezoom. Auflösung und Farbkorrektur sind vergleichbar mit Minoltas frühem MC 4.5/80-200mm, doch der Kontrast ist sichtbar flauer. An die späteren MD-Telezooms kommt das Vivitar / Kiron in keiner Weise heran.
Schlussendlich - ein wenig "ausser Konkurrenz" - das Kiron 4-5.6/28-210 mm. Die Optik (ein nagelneues Exemplar aus Restbeständen) ist ungewönlich schön und solide verarbeitet (fühlbar besser als die zeitgenössischen Minolta-Zooms), doch optisch ist das 28-200er mit den heutigen hochauflösenden Sensoren zumindest am langen Ende komplett überfordert. Ich hatte die Optik auch an der A900 getestet und mit dem Minolta AF 4-4.5/28-135mm verglichen; auch dort zeigte sich, dass das Kiron allenfalls im unteren Brennweitenbereich bis ca. 100mm einigermassen mithalten konnte. Die Optik ist dennoch ein Meilenstein, als erstes wirkliches Superzoom war das Kiron 28-210mm der Urtyp aller späteren "Suppnzooms". Man erinnere sich daran, dass diese Objektive - heute in der Regel mit 18-250 mm Brennweite und für APS-C optimiert - gleich nach den Kit-Zooms die meistverkauften Wechseloptiken sind!