Als Mamiya 1978 die NC1000 und damit wieder einmal ein neues Bajonett einführte, brachte man nebst Festbrennweiten von 21mm bis 300mm auch zwei Zooms auf den Markt. Das eine das hier beschriebene Sekor CS 3.5-45-90mm war aufgrund seiner veralteten Konzeption und eines offensichtlichen Fertigungsfehlers bald obsolet. Das andere (ein klassisches 80-200mm) hingegen galt alsbald als eines der besten Telezooms. Das Sekor CS 3.8/80-200mm ist nicht allzu schwierig auffindbar und erzielt Preise um 50.-- bis 100.-- CHF/EUR/USD. Das Sekor CS 3.5/45-90mm hingegen ist heute äusserst selten. Warum?

Von seiner Konzeption her ist das Sekor CS 3.5/45-90 mm ein klassisches Viergruppen-Zoom: Zuhinterst (zwischen Bajonett und der Blende) findet sich das feststehende Grundobjektiv, das als einfacher Vierlinser ("umgekehrtes Ernostar") aufgebaut und somit eine Abwandlung des Cooke-Triplets ist. Zuvorderst befinden sich die drei (grossen) Linsen der Fokussiergruppe, und dazwischen liegen der Variator (drei Linsen in zwei Gruppen) sowie der Kompensator. Letzterer dient dazu, die sich durch die Bewegung des Variators verändernde Schärfe-Ebene beim Zoomen konstant zu halten.

Als "Normal-Zoom" war das CS 3.5/45-90mm schon bei seiner Einführung veraltet, da es zuwenig weitwinklig war. Durch die Viergruppen-Bauweise mit einem feststehenden Grundobjektiv bleibt die kürzeste Brennweite auf ca. 40-45 mm beschränkt, und die Naheinstellgrenze liegt bei 1.4 m. Ähnlich aufgebaute Zooms wie etwa das Minolta 3.5/50-100 mm aus den 1960er Jahren oder das spätere Minolta MD 2.8/40-80 mm konnten am Markt ebenfalls nicht reüssieren, da ihnen der Weitwinkelbereich fehlte. Eine Ausnahme war das Nikkor 3.5/43-86 mm, das aber zumindest in seiner ersten Version qualitativ am unteren Rande anzusiedeln war. Erst die Zweigruppenzooms brachten in diesem Bereich einen Durchbruch, da sie mit weniger Linsen (in der Regel acht bis zehn) und einer einfacheren Mechanik gleichzeitig einen grösseren Bildwinkel, kürzere Naheinstellgrenzen und eine höhere Auflösung / Randschärfe boten.

Doch zurück zum Mamyia CS 3.5/45-90mm! Es liegt leistungsmässig deutlich über den genannten Nikkor- und Rokkor-Zooms aus den 1960er Jahren Tests in einer deutschen Fachzeitschrif belegen dies. Allerdings hatte das Mamiya-Zoom das Handicap, dass es relativ teuer (und damit für den durchschnittlichen Mamiya-Kleinbild-Fotografen uninteressant) war. Zu allem Übel wurde zwischen Variator und Fokussiergruppe offensichtlich eine Gummi-Lichtdichtung (Faltbalg?) eingebaut, die im sich im Laufe der Zeit zu einer schwarzen, teerartigen Masse zersetzte. Damit war das Schicksal des Sekor CS 3.5/45-90mm besiegelt. Die wenigen im Umlauf befindlichen Exemplare wurden wohl zurückgerufen (oder überhaupt nur eine sehr kleine Serie ausgeliefert, bevor man das Problem entdeckte). Wie auch immer - heute ist es fast unmöglich, ein CS 3.5/45-90 mm zu finden.

Die drei mir bekannten Exemplare waren alle im Innern extrem verschmutzt, da zwischen erster und zweiter Gruppe der aufgelöste Balg sich auf die Linsen gesetzt hatte. Jedes übliche Objektiv würde man bei einem solchen Schadenbild wegwerfen; das seltene Sekor CS 3.5/45-90mm versucht man aber zu retten. In der Tat gelingt das recht gut; allerdings fehlt nach Entfernung des Teers eben jener ehemalige interne Streulichtschutz, sodass verstärkt innere Reflexionen an den teils nicht geschwärzten Metallteilen entstehen.

 

Am 24 MP Vollvormat kann das Objektiv nicht ganz mit den Leistungswerten der sehr guten Mamiya CS 50mm Objektive aufwarten. Bei Offenblende ist der Kontrast eher flau teil sicherlich bedingt durch die fehlende (zersetzte!) interne Streullicht-Abschirmung sowie die nun freiliegenden silbrigen Teile der Zoom-Mechanik. Abgeblendet steigen Kontrast und Detailschärfe etwas an; im Bereich um 60mm bis 70mm erreicht das Objektiv ab f5.6 sogar fast Festbrennweiten-Niveau. Das schwache Ende ist bei der langen Brennweite zu suchen: Bei f= 90mm fehlt es gerade in den Ecken an Auflösung, und auch Abblenden hilft nur begrenzt. Das Objektiv ist somit auch aufgrund seiner Grösse und des Gewichts von 615 g eine seltene Kuriosität, die das Sammlerherz höher schlagen lässt.

 

 

Mamiya CS 45-90mm f35 lens section Mamiya CS 45-90mmf35 MAMIYA SEKOR ZOOM CS 45-90mm 1:3.5
(12 Linsen / 9 Glieder)

 

 

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