In diesem Vergleich zeigen acht Festbrennweiten und drei Zooms von Minolta die Entwicklung von Lichtstärke und Auflösung bei f=35mm zwischen ca. 1960 und 1980 auf.
Leica hatte ab 1930 zunächst vier Elmare für die Leica im Programm, die sehr ähnlich aufgebaut waren wie die Tessare von Zeiss: Das 3.5/3.5cm, das 3.5/5cm, das 4/9cm und das 4.5/13.5cm. Die beiden Elmare 3.5/3.5cm und 4.5/13.5cm waren bereits "grenzwertig": Das 35er hatte Mühe in den Ecken, das 135er kam nicht auf die notwendige Detailauflösung. Weitere Winkel – konkret die 28mm Brennweite – waren bis zum Erscheinen von Berteles revolutionärem Biogon 4.5/21mm (1952) mit strarken Kompromissen behaftet und galten bereits als „Ultraweitwinkel“.
Zurück zu den 35ern: Zeiss – oder besser Ludwig Bertele – zeigte 1936, dass und wie man ein leistungsfähiges 35mm-Weitwinkel-Objektiv bauen konnte. Das Biogon 2.8/35mm – abgeleitet aus den Sonnaren – hatte gleichzeitig die höchste Lichtstärke, die beste Bildfeld-Ausleuchtung und die höchste Detailauflösung aller damaligen 35 mm-Kleinbild-Objektive. Allerdings musste Bertele dazu die Hinterlinse bis fast an die Filmebene heranführen – etwas, das mit der gerade zaghaft aufkommenden SLR-Technik nicht mehr vereinbar war.
Spiegelreflexkameras brauchen für den Spiegel ca. 40 mm freien Raum zwischen Filmebene und Objektiv-Hinterlinse. Klassische, symmetrische Weitwinkel-Konstruktionen konnten somit an den SLRs nicht genutzt werden. Der französische Hersteller Angénieux fand anfang der 1950er Jahre einen Ausweg: In Umkehrung des Tele-Prinzips nahm man ein normal-brennweitiges Objektiv und verkürzte dessen Brennweite durch Vorschalten einer Zerstreuungslinse („Retrofokus“).
Retrofokus-Weitwinkel für SLRs tauchten bald bei allen bedeutenden Herstellern auf, so auch bei Minolta: Die ab ca. 1960 zur SR1/SR-2 gelieferten Rokkore 4/35 mm und 2.8/35 mm waren grundsätzlich einfache Vierlinser mit vorgeschaltetem Weitwinkel-Konverter. Die Leistung dieser Optiken kam nicht an „richtige“ (d. h. symmetrische) Weitwinkel heran, wie sie für die Messucher-Kameras lieferbar waren – und schon gar nicht an deren Lichtstärken: Leitz hatte bereits um 1958 ein 1.4/35 mm im Programm!
Schritt für Schritt entwickelte man die „zweiteiligen“ Konstruktionen (Grundobjektiv & Weitwinkel-Vorsatz) weiter und kam so zu besser integrierten Systemen, deren Leistungen allmählich an die der symmetrischen Objektive herankamen – mit Ausnahme der Verzeichnung, die bei stark asymmetrischen Objektiven immer schwierig zu korrigieren ist.
Das Rokkor-QE 4/35mm von 1960 wurde - wie das zeitgleich 4/100mm und 4/135mm - mit einer manuellen Vorwahlblende ausgeliefert. Die optische Konstruktion ist ein simples vierlinsiges Grundobjektiv mit einer einzelnen vorgeschalteten Zerstreungslinse als "Weitwinkelkonverter". Entsprechend fällt die Bildleistung aus: Obwohl wir an APS-C nur den Bildwinkel eines Normalobjektivs ausnutzen, ist die Schärfe auch bei f5.6 mangelhaft und selbst bei f11 nicht berauschend.
Das deutlich aufwändiger gebaute Auto W. Rokkor-HG 2.8/35mm aus derselben Zeit ist bereits bei f2.8 sichtbar besser als das einfachere 4/35mm. Ab f5.6 ist die Abbildungsleistung zumindest an APS-C recht brauchbar.
Kurze Zeit später kam das neu gerechnete, etwas kleinere und leichtere Nachfolgemodell mit MC-Kupplung für die SR-T 101 auf den Markt. Bei Offenblende eher schwächer als das Vorgängermodell, legt die Optik beim Abblenden deutlich zu und bringt bei f11 eher mehr Details. Die Konstruktion besteht aus einem Elmar-ähnlichen Grundobjektiv, einem 2-linsigen Weitwinkelkonverter und einer einzelnen Verbundlinse zwischen Grundobjektiv und WW-Vorsatz. Wer am Vollformat die Nase vorn hat, bleibt vorderhand offen.
Alle Versionen dieses Objektives neigen stark zu einer verölten Blende!
Die MC-X-Version mit derselben optischen Rechnung hat sichtbar verbesserte Vergütungen - ansonsten entspricht die Abbildungsleistung weitgehend der MC-I-Variante. Relativ stark unterkorrigierte sphärische Aberrationen führen bei Offenblende zu einem flauen Bild; abgeblendet wird aber eine recht hohe Auflösung erzielt. Diese Auslegung ist untypisch für die meisten älteren "analoge" Objektive, aber recht typisch für viele Zeiss- und Minolta-Konstruktionen. Die hohe Auflösung bei geringem Kontrast kommt dem digitalen Sensor entgegen - geringen Detailkontrast kann man rechnerisch verstärken, aber fehlende Auflösung bleibt fehlende Auflösung ...
Noch während der MC-X-Zeit (1973-1976) überarbeitete Minolta die mittlerweile fast 10jährige optische Konstruktion des MC 2.8/35mm. Anstelle von sieben Linsen genügten nun deren fünf; trotzdem steigerte man die Abildungsleistung, zumindest auf Film: Minolta hatte von Leitz das Konzept übernommen, die Auflösung zu limitieren, dafür aber den Kontrast bei jenen Frequenzen zu maximieren, die für den damaligen Film wesentlich waren (dh. 10-20 LP/mm). Hier die optisch identische MD-I-Variante.
Die MD-III-Version, obwohl mit praktisch identischem Linsenquerschnitt wie das MC-I, hat eine nochmals verbesserte Abbildungsleistung. Bemerkenswert der weitgehend konstante Bildeindruck von f2.8 bis f11. Das Objektiv ist nochmals kleiner und leichter geworden (u. a. wegen des Wegfalls von Messing bei der Konstruktion des Schneckenganges). Trotz einiger Kleinteile aus Kunststoff (Blendering, Feststellschalter für kleinste Blende usw.) ist die Optik praktisch vollständig in Metall gefasst; entsprechend solide fühlt sie sich an. Allerdings läuft der Schneckengang nicht mehr so angenehm weich wie bei den MC-Optiken.
Gehen wir über zu den lichtstarken 35ern! Für die Leica M waren hochlichtstarke 1.4/35er bereits Ende 1950er Jahre verfügbar - in der ersten Version allerdings auch mit ungenügender Abbildungsleistung. Pentax - zu selben Zeit Vorreiter bei den SLRs - bot schon 1959 ein relativ lichtstarkes 2.3/35mm an, das bei Offenblende sehr weich zeichnet, aber abgeblendet selbst am 24MP Vollformat eine ausgezeichnete Leistung hat.
Minolta legte auf der Photokina 1968 die Latte deutlich höher: Das neue MC W. Rokkor HH 1.8/35mm galt bald als bestes und gleichzeitig lichtstärkstes SLR-Weitwinkel. Schaut man sich die Testbilder an, so scheint es, als habe Minolta die Auflösung im Feld bewusst soweit beschränkt, dass sie für damalige mittel-empfindliche Filme gerade ausreichte. Dafür wird diese Abbildungsleistung bereits bei f1.8 erreicht - und das bei durchaus brauchbarem Kontrast! Für heutige, hochauflösende digitale Systemkameras reicht die Details aber nicht ganz; ein MC 2.8/35mm aus derselben Zeit liefert bessere Resultate.
Die Fassung gehört zu Schönsten und Besten, was Minolta je produziert hat: Schwer, grundsolide und und überaus feinfühlig und präzise zu zu fokussieren. Nicht umsonst gilt die erste, 1973 mit der Minolta XM vorgestellte MC-X-Serie mechanisch als Minoltas beste - man denke an die MC-X-Rokkore 2.8/21mm, 2.5/28mm, 1.4/50mm, 3.5/135mm und 4.5/200mm.
Nikon brachte in der ersten Hälfte der 1970er Jahre als erster Hersteller ein 1.4/35mm für SLRs heraus. Das Nikkor 1.4/35mm hatte bald einen herausragenden Ruf, auch wenn diese Leistung durch den Einsatz radioaktiver Thorium-Gläser erkauft wurde. Es galt als komplementäre Optik zum ebenso legendären Nikkor 2.5/105mm.
Minolta nahm den Ball nicht auf - man beliess die optische Rechnung des ursprünglichen MC 1.8/35mm während zehn Jahren unverändert. Das darauf folgende lichtstarke MD 1.8/35mm war zwar eine optische Neurechnung, aber die maximale Öffnung wurde bei f1.8 belassen. Statt dessen reduzierte man Gewicht und Grösse massiv - und gleichzeitig konnte man die Abbildungsleistung noch etwas steigern.
Zoom- und Weitwinkelobjektive schwächeln in der Regel in den Bildecken. Naturgemäss fallen die ursprünglichen Vollformat-Bildecken bei diesem Test weg, und zudem testen wir hier ein Zoom in seinem mittleren Brennweitenbereich. Das MD 4/24-50mm, das an analogen Kameras einen ausgezeicheneten Ruf genoss, schlägt sich bei 35 mm Brennweite an der NEX-5N zwar gut, aber angesichts dieser Tatsachen dennoch nicht überragend.
Deutlich schwächer - und sicherlich das schwächste Objektiv im Test - ist das extrem kleine und leichte MD 3.5/24-35 mm. Obwohl das Objektiv mit zehn freistehenden Linsen aufwändiger gebaut ist gebaut ist als Canons zeitgenössisches FD 3.5/24-35mm L, fordert die Miniaturisierung bei gleichzeitig relativ hoher Lichtstärke ihren Tribut.
Das MD 3.5/35-70 mm ist trotz eines "einfacheren" Brennweitenbereichs erheblich grösser als das MD 3.5/24-35 mm. Auch wenn es aus nur acht Linsen aufgebaut ist, so bildet es an APS-C doch deutlich besser ab als die aufwändiger gebauten MD 4/24-50 mm und MD 4/24-35 mm. Die gute Abbildungsleistung des Objektivs, die sich bereits bei f=50 mm gezeigt hatte, bestätigt sich auch am kurzen Ende.